©Stephan Brenneisen

Lebensraum auf dem Dach

Auf Dächern können ganze Landschaften entstehen, Lebensräume für Menschen, Tiere und Wildpflanzen. Idealerweise werden die begrünten Dächer Teil der umgebenden Landschaft, orientieren sich in der Bepflanzung an die Umgebung und sind mit lokalen Materialien wie Boden, Kies und Wurzelstöcke, Baumstämme, Astschnitt aufgebaut. Eine ökologisch ausgeführte, ressourcensparende und extensive Dachbegrünung stellt mitten im Siedlungsraum einen ungestörten Lebensraum dar, ein Ersatzlebensraum, der von Wildbienen, Käfern und Vögeln gerne besiedelt wird.

Biodiversitätsforschung auf dem Dach

Inwiefern Gründächer und ihre verschiedenen Begrünungsarten die biologischen Vielfalt im Siedlungsraum wirklich stärken, ist Gegenstand einiger Forschungsprojekte. Die Forschungsgruppe Stadtökologie an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften erforscht schon lange den Lebensraum auf dem Dach als ökologische Ausgleichfläche. Hierzu gibt es zahlreiche Veröffentlichungen. An der Hochschule in Osnabrück (DE) wurde das Potenzial gebietseigenem Saatgut auf Dächern mit Biodiversitätselementen untersucht und Ergbnisse in einem Praxisleitfaden veröffentlicht. In Vorarlberg werden ausgewählte Gründächer mit lokalem Saatgut und Oberboden in Hinblick auf Vegetationsentwicklung und Käfer-Lebensraumpotenzial untersucht und mit konventionell begrünten Dächern verglichen (mehr Info zum Monitoring von Bioidversitätsdächern in Vorarlberg). Die Universität Innsbruck startet 2023 in Kooperation mit Schulen in Tirol und Vorarlberg ein Schmetterlingsmonitoring auf Dächern.

Biodiversitätselemente auf Dächern

Biodiversitätselemente erhöhen die Qualität der Ersatzlebensräume für regionaltypische Tier- und Pflanzenarten. Sie werden möglichst mit lokal bzw. regional anfallenden Materialien und regionalem Saatgut aufgebaut und begrünt. Typisch sind unterschiedliche Substrathöhen und verschiedene Substratarten (Unter- und Oberboden, Sand- und Lehmbereiche) sowie Totholzbereiche und Wasserflächen. Stein- und Kiesbereiche können die Lebensraumvielfalt auf dem Dach erhöhen. Auch Mähgutübertragungen von ökologisch wertvollen Flächen in der Umgebung sind zu empfehlen.

Verschiedene Substratarten

Für das Pflanzenwachstum ist das Substrat und die Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit ausschlaggebend. Der Anteil an organischen, humosen und feinen Material im Substrat sollte daher mindestens 30% betragen. Auf dem Dach können verschiedene Substratarten oder Substratgemische zur Artenvielfalt beitragen. Vor Ort anfallende Oberböden, Recyclingmaterialien, Ziegelbruchgemische oder Kies-Kompostgemische können eingesetzt werden.

Verwendung von lokalem Oberboden

Aus ökologischer Perspektive gibt es viele Vorteile den lokalen Oberboden (mit) zu verwenden. Für die Vegetationsentwicklung weist der belebte und humose Boden eine bessere Qualität auf als mineralische Schüttstoffe. Auch die klimatische Kühlungsfunktion kann länger aufrechterhalten werden. Oberboden kann auch mit Sand- und Kies oder anderen Schüttstoffen gemischt werden. Im Foto unten sieht man den Unterschied in der Vegetationsentwicklung auf Ziegelsubstrat (links) und auf Oberboden (rechts). Die Kombination kann insbesondere beim Einsatz von Photovoltaik-Modulen Vorteile bringen.

Verschiedene Substrathöhen

Durch die Modellierung der Oberfläche entstehen Bodenbereiche mit unterschiedlicher Beschattung und verschiedenen Feuchtigkeitsgehalten. Je höher die Substratschicht ist, desto eher siedeln sich wichtige Bodenlebewesen langfristig an. Konkret bedeutet dies, das Substrat (der Statik entsprechend) in unterschiedlichen Höhen zu verteilen, von 6-8 cm im Bereich der PV-Module bis hin zu 25 cm in freien Bereichen. So profitieren Tier- und Pflanzenarten von dem Mosaik an verschiedenen Lebensräumen.

Saatgut

Für die Begrünung des Dachs sollte möglichst standortgerechtes und regionales Saatgut verwendet werden. Am besten eignet sich Saatgut, dass auf artenreichen Magerwiesen in näherer Umgebung gewonnen wird, zum Beispiel in Form einer Mähgutübertragung oder Heublumen. In Vorarlberg gibt es auch die Möglichkeit, artenreiche Wiesen aus der Umgebung beernten zu lassen. Mehr Infos zum sogenannten „Wiesenkopierverfahren“ gibt es hier. Möchte man auf Wildblumen-Handelssaatgut zurückgreifen, ist man auf süddeutsche und Ostschweizer Anbieter angewiesen, da es keine auf Vorarlberg angepassten Mischungen gibt. Hierzu gehören z.B. UFA- Samen (CH), Rieger-Hoffmann (D), Syringa (D) oder Hof-Berggarten (D). Sie alle bieten fertige Dachbegrünungs-Mischungen an.

Holz, Asthaufen

Die Verwendung von Totholz oder Wurzelstöcken, welche beispielsweise bei Bauarbeiten entfernt werden (müssen), begünstigt auf dem Dach eine Vielzahl an Lebewesen, die auf Holz angewiesen sind (Insekten, Vögel). Auf diese Weise kann ohne große Umstände ein wertvolles Biotop geschaffen werden.

Steinhaufen

Flächen oder Haufen mit grobem Gestein bieten einen Lebensraum für einige Tierarten. Vögel, Reptilien oder
Insekten nutzen diese Strukturelemente für die Nahrungssuche oder als Versteck.

Wasserflächen

Die meisten Lebewesen sind auf Wasser bzw. Wasserlebensräume zumindest teilweise angewiesen. Eine temporäre Wasserfläche begünstigt viele Arten.

Sand- und Kiesflächen

Im Zuge von Bauarbeiten können lokale Aushubmaterialien wie Sand, Kies, Lehm oder gröbere Gesteine auf dem Dach auch kleinflächig verwendet werden. Kies oder Sandflächen bieten zusätzlich zur Begrünung Nisthöhlen und Brutplätze für Wildbienen und Heuschrecken. Der große Vorteil ist die Verwendung von lokalem Material, das somit nicht abtransportiert und entsorgt werden muss.

close